Mein Auslandssemester 2016 an der University of Tasmania

Erfahrungsbericht von Malte Aurich (2017 für die Gostralia-Website geschrieben)

Mein Weg nach Tasmanien

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“

„Bist du jetzt wahnsinnig geworden?“

Das waren in etwa die Hauptgedanken, die sich in meinem Kopf im Kreis drehten, während mich meine Familie nach München zum Flughafen fuhr. Nur wenige Tage zuvor hatte ich noch am Feinschliff meiner Bachelorarbeit gesessen, und Tasmanien schien unendlich weit entfernt.

Doch nun war ich tatsächlich dabei, ganz allein auf die andere Seite des Planeten zu reisen, auf eine kleine Insel ganz am südlichen Rand der zivilisierten Welt. Dort würde ich niemanden kennen, allen Informationen nach, die ich zusammengetragen hatte, befanden sich dort nie mehr als drei oder vier deutsche Studenten gleichzeitig. Und ich würde das erste Mal in meinem Leben für mich selbst sorgen müssen – bisher hatte ich es mir im Hotel Mama gutgehen lassen.

Allerdings hatte ich schon seit der Oberstufe den Entschluss gefasst, ein Auslandssemester zu absolvieren. Da Englisch die einzige Fremdsprache in meinem Repertoire war, die ich sicher beherrschte, und ich weder ins deutschsprachige Ausland noch nach Großbritannien wollte, suchte ich gezielt nach Unis in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Nach dem Besuch einer Info-Veranstaltung zum Thema, noch während der Orientierungswoche zu Beginn des ersten Semesters im Bachelor-Studium, nahm ich zunächst Universitäten ins Visier, mit denen meine Heimat-Uni in Ulm Austauschprogramme unterhielt. Allerdings sagte mir keine davon wirklich zu, so dass ich meine Suche auszudehnen begann und schließlich einige interessante Unis in Neuseeland fand, ebenso stieß ich bei dieser Suche auf „Gostralia“.

Ein Jahr später – mein drittes Semester hatte gerade begonnen – veranstaltete Gostralia eine eigene Info-Veranstaltung in der Hochschule Neu-Ulm, die ich mir anhörte und von der ich mir einige Flyer mitnahm, wie auch das Jahresheft von 2014. Dort waren alle Unis von Australien und Neuseeland aufgeführt, wie auch die Fächer, die sie jeweils anboten, und zu jeder auch noch kurze Info-Texte und ein Erfahrungsbericht. Tasmanien stach da auf einmal absolut hervor – eine Universität wie geschaffen für einen Ökologie-Studenten, mit einer gewaltigen Anzahl an hochspannenden Fächern, von antarktischer Meeresbiologie über Landschaftsevolution bis hin zu verschiedensten GIS-Kursen. Da musste ich hin! Also nahm ich Kontakt mit Gostralia auf und wurde daraufhin sehr ausführlich von Rebecca Fischer beraten, die auch im weiteren Verlauf meine Ansprechpartnerin bei Gostralia war.

Generell sollte man den Papierkram nicht unterschätzen, der für so ein Auslandssemester zu erledigen ist. Zum Glück greifen einem dabei die Mentoren von Gostralia unter die Arme, indem sie alle nötigen Dokumente, Formulare und Vordrucke bereitstellen, aber den Rest der Arbeit nimmt euch dann auch wieder niemand ab… Nach Sprachtest, Austauschvereinbarung mit den Unis in Ulm und Tasmanien, VISA-Beantragung und Flugbuchung war dann schließlich alles bereit für mein großes Abenteuer.

In Tasmanien

2016 war ich der einzige von Gostralia in Hobart, aber trotzdem gab es außer mir noch mindestens elf andere Deutsche, die da mit mir auf eigene Faust ein Auslandssemester machten. Es heißt also noch nicht, dass man der einzige Deutsche an der University of Tasmania ist, wenn sich in der Gostralia-Facebook-Gruppe sonst niemand meldet und alle nach Melbourne zu gehen scheinen.

In Tasmanien angekommen, waren auch gleich alle sehr nett und hilfsbereit, ich war quasi gleich am Flughafen integriert, obwohl ich dort niemanden kannte. Im Flugzeug von Melbourne nach Hobart hatte ich neben einer Amerikanerin aus Denver gesessen, die ebenfalls ein Auslandssemester in Tasmanien absolvieren wollte, wie ich mit dem Schwerpunkt Ökologie, und in Hobart wurde ich dann noch im Shuttlebus der Uni von einigen anderen Amerikanern ‚adoptiert‘. Zusammen unternahmen wir eine ganze Reihe von Ausflügen und Camping-Trips und verbrachten auch viel Zeit zusammen in Hobart. Spätestens nach den Kennenlern-Veranstaltungen der Uni solltest du Kontakt zu mindestens einem Dutzend netter Leute haben – es gibt kaum etwas, was so sehr zusammenschweißt, wie fremd und allein auf der anderen Seite der Welt zu sein, und so findet man sehr schnell neue Freunde.

Wohnen

Ich hatte mich für mein Auslandssemester in den University-Apartments einquartiert. Das war zwar etwas teurer, als es eine WG gewesen wäre, dafür aber auch sauber und gepflegt. In den Apartments wohnten immer sechs Leute zusammen, es gab eine Reinigungskraft und während des Semesters ein für Studenten kostenloses Shuttle zur Uni und in die Innenstadt, das aber nur ein paarmal am Tag fuhr. Die meisten Studenten, die ich kennengelernt habe, sowohl von den Internationalen als auch Leuten aus Launceston und den kleineren Orten im Norden, die nicht selbst aus Hobart kamen, haben auch entweder in den Apartments oder in den beiden großen Wohnheimen daneben gewohnt, dem Fisher- und dem Christ-Collage. Ich teilte mir die Wohnung mit einem Wirtschafts-Studenten aus Hongkong, einem Medizin-Studenten aus Sidney, einer Law-Studentin aus Singapur und einer anderen aus Denver, sowie einer Geographie-Studentin aus Launceston im Norden Tasmaniens, die zwei der selben Kurse besuchte wie ich. Der Kern meiner amerikanischen Freunde wohnte in der Wohnung über mir, einige Skandinavier und Inder, mit denen ich mich ebenfalls anfreundete, in der Wohnung nebenan – es war also eine bunte Mischung aus allen möglichen Nationalitäten, was auf jeden Fall eine sehr interessante Erfahrung war. Einmal in der Woche trafen wir uns in einer unserer drei Wohnungen, um ein typisches Gericht aus einem der Heimatländer eines der Bewohner zu kochen, das war ebenfalls sehr interessant und auch sehr lecker.

Auf der anderen Seite wäre eine WG sicherlich günstiger gewesen und man hätte unter Umständen mehr Zeit mit Tasmaniern als mit anderen ausländischen Studenten verbracht. Tatsächlich ist es aber gar nicht einfach, in Hobart halbwegs günstigen Wohnraum zu finden, der auch wirklich bewohnbar ist. Ich hatte mich einige Monate zuvor auf Anraten des Gostralia-Teams auf der WG-Vermittlungsseite ‚Flatmates‘ angemeldet, doch da waren die Zimmer entweder gut, aber teurer als die Wohnheimzimmer der Uni, oder katastrophale Bruchbuden. Ich war in einigen WGs bei Freunden in Sandy Bay, dem Stadtteil von Hobart, in dem auch die Uni liegt, und etwa die Hälfte davon war sehr schön, die andere Hälfte aber wirkte wie Obdachlosen-Unterkünfte, ohne Betten, mit Matratzen am Boden und Schimmel an der Decke... Allerdings war bei Flatmates auch schon von den Bildern und Preisen her recht gut zu erkennen, was da zum Teil für Unterkünfte auf einen gewartet hätten. Von daher muss ich den anderen Berichten an dieser Stelle etwas widersprechen. Ich hatte zumindest eine ausgesprochen schöne Zeit in den University-Apartments und kann diese nur jedem weiterempfehlen.

UTAS

Die ‚University of Tasmania‘ oder kurz UTAS ist eine gemütliche, beschauliche Uni am Ende der Welt, aber auf der Höhe der Zeit. Es gibt eine große Vielzahl an Kursangeboten, gerade im Bereich der Life-Sciences von Medizin über Geographie bis Biologie und Antarktisforschung, aber auch eine große Abteilung für Jura und internationales Recht. Dabei sind sowohl die Uni als auch die Kurse so klein, dass die Professoren einen sehr schnell persönlich kennen. Zudem ist man – wie in Tasmanien generell – aber auch ganz schnell per du und ich habe selten so engagierte Betreuer erlebt wie dort. Allerdings sollte man sich von der generellen Freundlichkeit und Freundschaftlichkeit nicht zu sehr blenden lassen, denn das verschultere, angelsächsiche System bewertet insgesamt härter, als man das aus Deutschland gewohnt ist. Was bei uns eine Eins bedeutet, ist dort nur eine Zwei, weil man eben auch mit dem Äquivalent einer Fünf oder Sechs in unserem System weiterkommen kann und solche Noten tatsächlich auch häufiger gegeben werden – zum Glück nicht mir. Dennoch haben die relativ schlechten Noten aus Tasmanien meinen Schnitt im gesamten Master deutlich gedrückt, und darüber sollte man sich vorher im Klaren sein. Gelohnt hat es sich aber dennoch, nicht nur für die tollen Erfahrungen und Eindrücke von der anderen Seite der Welt, sondern auch für die Lehrinhalte, die so in Deutschland nur selten angeboten werden, zumindest im Kontext der Ökologie.

To-do-List für Hobart

Ein erster Tipp schon mal vorweg: Egal was du machst, geh auf jeden Fall donnerstags zur Trivia-Night im World's End, einem urgemütlichen Pub in Sandy Bay. Comictapezierte Wände, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für Alkohol in der Stadt (was im Vergleich zu deutschen Preisen aber immer noch sehr teuer ist) und mit Käse und Schinken überbackene Pommes… Load of fries nennen die das. Die ‚Tassies‘ haben generell einiges an merkwürdigem Essen anzubieten (ich sage nur Pommes-Lasagne), was aber zum Teil echt lecker schmeckt. Wie dem auch sei, das World‘s End lohnt sich sehr! Und für den Fall, dass einmal das Heimweh zwicken sollte, gibt es im selben Gebäudekomplex, in dem sich der Pub befindet, auch noch die ‚German Bakery‘, die von einem ausgewanderten Schwaben betrieben wird, der hier Brezeln und Laugenbrötchen anbietet.

Die anderen Empfehlungen meinerseits liegen weiter in Richtung Stadtzentrum: Am Hafen gibt es mehrere schwimmende Fisch-Imbissbuden, besonders lecker sind hier die kross gebratenen und gut gewürzten Fish‘n Chips mit Lachs bei ‚Flippers‘. Außerdem liegen zwischen Hafen und Salamanca-Square noch das ‚Telegraphs‘, eine rustikale Billardkneipe, in der mit Käse überbackene Cordon bleus und eine große Bandbreite lokaler Biersorten serviert werden, sowie ‚The O-Bar‘, der beliebteste Nachtclub der Stadt. Und dann ist da natürlich noch der Salamanca-Square selbst mit weiteren Pubs und Restaurants und dem berühmten samstäglichen Markt. Diesen habe ich fast jedes Wochenende genutzt, um sehr günstig den unglaublich zarten tasmanischen Brie und Camembert sowie viele andere lokal produzierte Lebensmittel einzukaufen, wie auch typisch tasmanische Souvenirs gegen Ende meines Aufenthaltes. Etwas weiter landeinwärts liegt dann auch noch das ‚Standard‘, der beste Burgerladen der Stadt – etwas eingeklemmt in einer Seitengasse zwischen zwei Hochhäusern. Über Hobart verteilen sich außerdem noch mindestens ein Dutzend Sushi-Läden, mit denen man eigentlich nur wenig falsch machen kann.

Und zum Schluss noch eine Sicherheitswarnung: Halte dich von Tim Tams fern! Die Schoko-Keks-Riegel machen nach dem ersten Bissen abhängig, und in Deutschland ist es extrem schwer, an diese wunderbaren Leckereien heranzukommen… um Homer Simpson zu zitieren: „Hmmm, Tim Tams. Arrrrgh“

Fazit

Am Ende konnte ich es nicht glauben, dass meine fünf Monate in Tasmanien schon vorbei waren, und ich wäre gerne noch länger geblieben. Ich hatte eine unglaublich schöne Zeit und eine Vielzahl an unvergesslichen Erinnerungen gesammelt: Eines Nachts war ich auf dem Weg zu den Appartements über ein Wallaby gefallen, das plötzlich aus einem Gebüsch hervorsprang. Ich war von Kookaburras und Kakadus aufgeweckt worden, hatte Schnabeligel auf dem Fußweg gestreichelt und eines Abends beim Fotografieren des südlichen Sternenhimmels die markerschütternden Schreie wilder Tasmanischer Teufel gehört. An einem sonnigen Nachmittag hatten einige Freunde und ich von Cape Pillar aus vorbeiziehende Segelboote und Buckelwale sowie den Sonnenunter- und Mondaufgang hinter den Klippen beobachtet, bevor wir in der Nacht beim Zelten von einem Possum ausgeraubt wurden. Und ich kann nun behaupten, Freunde auf der ganzen Welt zu haben, von Amerika über Asien bis Australien. Es war eines der besten halben Jahre meines Lebens, und ich kann nur jedem empfehlen, sich ebenfalls die Zeit dafür zu nehmen.